Warum Langeweile für Hochsensible gut und anstrengend ist

(Von Friederike Hüsken) ♥ ♥ ♥ Es gibt bereits viele Artikel darüber, wie wichtig Langeweile und auch Muße sein können. Kreativität, Ideen und Impulse können schlecht aus dem Boden durchgetakteter Routine als auch des Stresses erwachsen. Doch warum ist Langeweile für Hochsensible eine zusätzliche Herausforderung?

Was wir wissen ist, dass das Gehirn von Hochsensiblen permanent auf Höchstleistung die Verarbeitungsraketen abfeuert. Reize im Außen (und Innen) werden tiefer verarbeitet. Das bedeutet, dass das hochsensible System andere Bedürfnisse hat und stets gut versorgt sein will. Mit Nährstoffen und Energie – aber auch mit Pausen für Regeneration und Ruhe.
Langeweile ist etwas, das schon bei Nichthochsensiblen manches Mal für das berühmte P in den Augen sorgt. Viele Eltern haben ihre Erfahrungen damit (nicht nur) während des Lockdowns in der Coronazeit gemacht. Aber auch Nicht-Eltern kann ein Satz oder die Erkenntnis „mir ist langweilig“ zur Qual werden.
Langeweile als Herforderung für Hochsensible
Das hochsensible (Nerven-)System mag keine Veränderungen. Es mag Sicherheit. Macht auch Sinn, wenn man sich überlegt, dass die Wahrnehmung hochsensibler Personen darauf evolutionär geschult ist, hinter jedem Busch den Säbelzahntiger zu vermuten.
Struktur, geregelte Abläufe, Ordnung und Routine können sehr viel Sicherheit geben.
Wenn dann allerdings Perfektionismus, ein (zu) hoher Anspruch und das berühmt wie berüchtigte „Nicht-Nein-Sagen-Können“ hinzukommen, sind der Terminkalender und der Kopf voll. Meist ohne (ausreichend) Pausen. Es ist kein Platz für Muße, für Sein, für aus dem Fenstergucken und Nichts-Tun. Geschweige denn „Nichts-Denken“.
Und das ist für Hochsensible eh schon sehr sehr schwierig.
Das Gedankenkarussell dreht sich und die Grübelgedanken werden gegrübelt bis sich die Katze wieder in den Schwanz beißt – oder die Überreizung selbstproduziert Tribut einfordert.
Pausen sind wichtig. Soweit – so gut. Doch was eine Pause sein kann und ob diese erholsam ist, ist individuell.
Wann wird für Hochsensible aus „Zeit zu haben“ Langeweile?
Auch das ist wohl individuell. Dennoch fällt auf, dass viele Hochsensible im berühmten Hamsterrad sind und sich wünschen auszusteigen. Wenn dann eine unverhoffte Pause eintritt – durch Terminausfälle, Urlaub, Krankheit usw. – fällt die buchstäbliche Decke des Hamsterrades auf den hochsensiblen Grübelkopf.
Und genau das ist es, was so anstrengend ist.
Gibt es auf einmal Raum und Zeit, fühlt es sich für viele erstmal unangenehm, wenn nicht sogar bedrohlich an. Denn vor der Langeweile stehen noch diverse Gedankenkarusselle. Denn die Pause ist ja meist unverhofft. Sonst hätte man sich ja sicherlich eine „sinnvolle Tätigkeit“ eingeplant, um das Zeitfenster effizient zu nutzen … damit keine Langweile aufkommt.
Die paar Minuten an der Bushaltestelle, im Wartezimmer oder an der Kassenschlange im Supermarkt – permanent werden potenzielle Langeweile-Momente durch das allgegenwärtige Smartphone verhindert.
Denn wenn Sicherheit mit Routine, Struktur und Beschäftigung wegfallen, kann Angst den Platz einnehmen.
Und wer spürt schon gern Angst? Oder den Druck, der aufkommt bei der Idee, was man nicht alles Anderes hätte tun können in der Zeit?
Erst, wenn diese Phase überwunden wird, kann sich die Langeweile einstellen.
Daher ist es eigentlich ein gutes Zeichen, wenn der hochsensible Mensch Langeweile hat. Denn das bedeutet, er/sie kommt an im Nichts-Tun, im Nicht-Denken. Um nicht zu sagen im „Sein“. Und das ist der Raum der Möglichkeiten, in dem Kraft geschöpft, aufgetankt werden und Neues entstehen kann.
Hochsensible brauchen Mut, Langeweile auszuhalten
Haben Sie den Mut, Langweile nicht nur auszuhalten. Haben Sie den Mut, Langeweile für sich zu „nutzen“ in dem Sie sie nicht gleich zuplanen, Streaming-Dienste „leergucken“ oder mit dem Abarbeiten von To-Do-Listen wegschieben.
Versuchen Sie Ihrem System zu vertrauen.
Es zeigt Ihnen, was es braucht. Die Welt geht nicht unter, wenn Sie 5 Minuten aus dem Fenster starren ohne „produktiv“ zu sein. Haben Sie den Mut hinzusehen, was sich in dem Langeweile-Loch zeigen möchte. Vielleicht steht die nächste Geschäftsidee, das beste Geburtstagsgeschenk, eine Lösung für ein Problem oder das nächste Urlaubsziel schon in den Startlöchern.
Und haben Sie den Mut hinzufühlen, wenn sich aus dem Langeweile-Loch eine Emotion hochschleicht, die gefühlt und nicht verdrängt werden will.
Haben Sie Mut, JA zur Langeweile zu sagen 🙂
Friederike Hüsken, Fachberaterin für Hochsensibilität, www.sensibelle.de, Netzwerkmitglied für 24113 Kiel (D)