Mögliche Fehldiagnosen bei hochsensiblen Kindern
(jvw-db136) Heute möchte ich mich zu dem sehr ernsten Thema Fehldiagnosen bei hochsensiblen Kindern äußern: Immer wieder kommen Eltern zu mir in die Praxis, weil sie bei ihrem Kind nicht mehr weiterwissen. Häufig sind sie von Erziehern oder Lehrern schon auf Verhaltensauffälligkeiten aufmerksam gemacht worden – oft mit den Worten, dass nun etwas passieren muss.
Manch ein Elternteil spürt schon intuitiv, dass die Situation gerade in eine sehr ungute Richtung verläuft.
Es liegen oftmals schon mögliche Diagnosen wie Angststörung, ADHS oder ADS in der Luft, und die Eltern sind oft verzweifelt. Meist ist es die Mutter, die mit ihrem Kind zu mir kommt. Auch wenn ich schnell erspüren kann, dass ein Kind sehr feinfühlig ist, kläre ich therapeutisch natürlich erst einmal umfassend ab, ob hier nicht doch noch etwas Ernsteres vorliegt, bevor ich mich vollkommen auf das Thema Hochsensibilität (keine Diagnose!) konzentriere.
Hinzu kommt, dass die heutige Zeit sehr viel reizüberfluteter ist als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Dieser Umstand lässt vieles bei Kindern eskalieren. Aber worauf können Eltern hier schon vorab achten, damit es gar nicht erst zu solchen Fehldiagnosen kommen kann?
Mögliche Fehldiagnosen bei Hochsensibilität
1. Symptome ähnlich ADHS/ADS:
- Das hochsensible Kind kann sich nicht konzentrieren, da es zeitgleich alles im Klassenraum mitbekommt. In diesem Fall sollte man darauf achten, dass es vorne sitzen kann.
- Viele Hochsensible haben auch hohe intellektuelle Stärken – eine mögliche Unterforderung ist immer in Betracht zu ziehen (Störenfried ‚ADHS‘ oder Träumer ‚ADS‘).
- Hochsensible reagieren oft auch stark auf Elektrosmog. Hier ist es besonders wichtig, die Reizüberflutung durch digitale Medien einzuschränken.
- Zuhause vermehrt auf Ruhephasen achten, um hier die Unruhe und das Überdreht-sein etwas abzupuffern.
- Fühlt sich das Kind in seiner Umgebung, wie in der Schule oder bei Freizeitaktivitäten, nicht wahrgenommen, falsch oder ungeliebt, so kann es zu einem konträren Verhalten kommen – das eigentlich sanfte Kind reagiert immer aggressiver.
2. Mögliche Entwicklung einer Angststörung:
- Hochsensible Kinder haben oft diffuse Ängste, da sie jede ungute Stimmung um sich herum aufnehmen. Auffällig sind hier Verspannungen, Bauchweh oder Schlafstörungen. Dann sollte man sein Kind immer wieder auf Augenhöhe wahrnehmen, um ihm im Gespräch helfend näher zu kommen.
- Alte Erlebnisse, die falsch verarbeitet wurden. Beispiel: Ein achtjähriges Mädchen ist mit Familie und Freunden auf einer Feier, bei der ein Lagerfeuer geplant ist. Als das Feuer langsam anfängt zu brennen, kippt die Freude des Mädchens plötzlich in pure Angst um und sie läuft schreiend davon. Was war passiert? Etwa ein Jahr vorher gab es in der Nachbarschaft einen kleinen Brand und die Feuerwehr musste kommen. Das sensible Mädchen war sehr aufgebracht und die Eltern beruhigten sie mit kindgerechten Erklärungen. Nun hat ein hochsensibles Kind aber ständig seine Antennen ausgefahren und macht sich überhaupt viele Gedanken, über die es aber nicht unbedingt spricht. So kann es sein, dass es sich seine ureigenen dramatischen Situationen plötzlich ausmalt und sich dieses dann längerfristig verfestigt.
Es ist hilfreich, sich als Eltern dieser Gedankengänge bewusst zu sein, um so bei unguten Erlebnissen verstärkt ihr Kind wahr- und annehmen zu können. Häusliche Rituale sind in ängstlichen Phasen vermehrt von Bedeutung. Sie geben dem Kind Halt, Struktur und mehr Vertrauen.
Doch das Wichtigste und Schönste ist, unseren Feinfühlern immer wieder ihre wunderbare Einzigartigkeit zu erklären.
Ihnen zu sagen, was für großartige Stärken sie doch durch ihre hohe Gabe haben: Zutiefst emphatisch; sehr fantasievoll und unglaublich kreativ; Gerechtigkeit und Ehrlichkeit sind von großer Bedeutung; Gewalt wird ‚verabscheut‘; oftmals hohe Begabungen in verschiedenen Bereichen; ausgeprägte Natur- und Tierliebe
… und so vieles mehr!!
Juliane von Witten, Heilpraktikerin für Psychotherapie, www.juliane-von-witten.de