Der hochsensible Wunsch nach Verbundenheit mit Gleichgesinnten
(mfi-db162) „Nach Verabredungen mit meinen Freundinnen bin ich meist erschöpft und muss mich erst einmal von diesen Treffen erholen. Die meisten meiner Freundschaften sind anstrengend und unausgewogen; aber ich glaube, es liegt an mir – ich bin zu kompliziert und meine Erwartungen an andere sind zu hoch! Ich wünsche mir Tiefgang und einen ausgewogenen Sprachanteil, sprich, dass nicht nur ich zuhöre und Verständnis zeige, sondern mich auch zeigen darf mit allem, was mich gerade umtreibt. Ich habe einen tiefen Wunsch nach Verbundenheit mit Gleichgesinnten …“. Meine Klientin wirkt traurig und ratlos.
Wir hatten bereits in der ersten Coachingsitzung über ihre Herausforderungen im zwischenmenschlichen Kontakt und das Thema Abgrenzung gesprochen; ich hatte sie im Kennenlerngespräch erst einmal von sich erzählen lassen. Diesmal, in der zweiten Sitzung, frage ich, ob sie den Wunsch verspüre, sich mehr mit Menschen zu umgeben, die ihr ähnlich seien. Und ob sie glaube, dass Freundschaften dadurch einfacher, weniger erschöpfend würden.
Dabei dachte ich an den Moment zurück, an dem mir klar wurde, wie stark auch mein Wunsch nach Verbundenheit mit anderen feinfühligen Menschen war.
Und wie sich meine Freundschaften veränderten, als ich diesem Wunsch nachgab und mich auf die Suche nach diesen Menschen machte.
Lange wusste ich nichts von meiner Hochsensibilität, erst als mir eine Freundin vor etwa 15 Jahren das Buch „Sind Sie hochsensibel?“ von Elaine Aron lieh, begann ich mich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich verstand, dass meine eigene Sensibilität nicht so negativ konnotiert war, wie ich sie lange empfunden hatte.
Es dauerte allerdings noch ein Weilchen, bis ich akzeptiert und verinnerlicht hatte, wie viel Positives sie tatsächlich mit sich brachte.
Dennoch hatte auch ich über Jahre hinweg einen Teil meiner Freundschaften als anstrengend und energieraubend erlebt, benötigte im Anschluss Zeit für mich, um aufzutanken und mich zu erholen. Als hochsensible Frau, durch meine hohe Reizoffenheit und Wahrnehmungsstärke, sehe und höre ich kleinste Details, denke viel und intensiv nach und dachte während meiner Kindheit und Jugend lange, dass alle so oder zumindest ähnlich ticken.
Es irritierte mich, wenn Freunde sich in meinen Augen laut, grob und oberflächlich verhielten, verständnislos auf meine Selbstzweifel und Gedanken reagierten, keine Ambitionen hatten, die Welt zu retten, wir selten darüber sprachen, wie es uns wirklich ging….
Wie oft hatte ich gehört: „Jetzt sei doch nicht so sensibel“ und „Meine Güte, bist du empfindlich“ und daher früh verinnerlicht, dass ich „falsch“ oder zumindest anders war und die anderen – die Lauten, die Selbstbewussten, die, die es liebten, im Mittelpunkt zu stehen – entsprechend „richtig“.
Schon in der Schule spürte ich, dass ich in einer Gesellschaft, in der es ständig um höher, weiter, schneller geht, mit meiner Zurückhaltung wenig punkten konnte.
In meiner Jugend versuchte ich also, mir ein dickeres Fell zuzulegen, auch (ein bisschen) laut und ausgelassen zu sein (mit Alkohol funktionierte das auch ab und zu), mich anzupassen und so ähnlich zu sein, wie ein Teil meines Freundeskreises. Die Gründe dafür, dass ich mir lange nicht mehr Menschen gesucht hatte, die mir ähnlich sind, habe ich erst spät erforscht, begriffen und bearbeitet.
Je mehr ich mich mit meiner Feinfühligkeit und dem Thema Freundschaft auseinandersetzte, desto größer wurde der Wunsch nach Gleichgesinnten, nach Verständnis, Austausch, Gesprächen über ähnliche Erfahrungen und tiefgehende Verbundenheit. Ich hatte immer wieder erlebt, dass sich Freundschaften auch leicht und selbstverständlich anfühlen konnten, hatte aber keine Worte dafür, woran das genau lag. Zudem hatte ich noch kein Gefühl dafür entwickelt, was ich tatsächlich brauchte.
Und ich glaube, das ist der Knackpunkt. Tief in uns spüren wir die Sehnsucht nach Menschen, die uns ähnlich sind, kennen uns selbst aber noch nicht gut genug, um zu erspüren, was uns wahrhaft guttut, und was wir im zwischenmenschlichen Kontakt brauchen, um uns wohl und angenommen zu fühlen.
Und so ist der erste Schritt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und dies herauszufinden, um sich im zweiten Schritt auf die Suche nach diesen gleichgesinnten Menschen zu machen. Da gibt es mittlerweile online und offline viele Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit anderen Hochsensiblen und eines ersten vorsichtigen Beschnupperns. Und wie wunderbar, wenn daraus tiefe Freundschaften entstehen, die nicht erschöpfen, sondern nähren.
Und das ist auch die Erkenntnis meiner Klientin nach dieser Sitzung: sie wünscht sich und braucht tiefe und intensive Begegnungen auf Augenhöhe. Und vor allem möchte sie ebenfalls gehört und gesehen werden. Sie ist nicht komplizierter als andere Menschen, nur variieren die Vorstellungen der Kommunikation zwischen ihr und ihren Freundinnen.
Und so verlässt sie beschwingt meine Praxis mit einer ersten Idee, wo sie andere feinfühlige Menschen treffen kann.
Ich bin gespannt, was sie beim nächsten Mal erzählt.
Myriam Filz, Praxis für Resonanz-Coaching, www.feinfuehligelebenskunst.de
Netzwerkmitglied für 20146 Hamburg (D)
Hallo,
toller Artikel und ich kann das sehr gut verstehen, weil es mir ganz genauso geht. Ich weiß erst recht kurz, dass ich hochsensibel bin und bin total gerührt, dass mir dies nun endlich meine Gefühle des ganzen Lebens erklärt.
Gibt es von Euch zufällig jemanden aus der Region Main-Kinzig/Hanau/Frankfurt der/die Interesse an einer Art Netzwerk / einer Austauschgruppe hat mit ggf. gemeinsamen Aktivitäten?
Würde mich sehr freuen 🙂
Viele Grüße
Tobi (m43)
Liebe Myriam,
wo finde ich solche „Gleichgesinnten“? Und auch noch, wenn ich schon 59 Jahre bin?
Viele Grüße von Brigitte
Hallo Brigitte, genau das frage ich mich auch. Nach Hamburg zum Stammtisch fahren ist mir zu weit. Mir würde ja schon ein regelmäßiger mail-Kontakt was bringen, oder mal telefonieren. Wenn du Lust hast, ich bin zwar noch älter, 68, bin aber fitter als manch 50 jähriger. Wenn du Lust hast, melde doch auf diesem Weg erst mal. LG Heidi
Hallo M.
ich lebe in Bielefeld und suche auch nach Gleichgesinnten vor Ort. Vielleicht hast Du eine Info ?
Über eine Rückmeldung würde ich mich freuen.
Irmtraut
….und manchmal findet man nach Jahrzehnten die Erklärung für das Wissen, dass immer da gewesen ist…
liebe Grüße Bianca Wolff
Liebe Marita,
hast du schon mal hier im Kalender nachgesehen, ob es in Bielefeld Angebote gibt?
https://www.hochsensibilitaet-netzwerk.com/treffen-termine-fortbildungen/
Ansonsten könntest du nachsehen unter den regionalen Ansprechpartner:innen, ob es jemanden in Bielefeld gibt, die/der Treffen organisiert und dies bisher lediglich auf der eigenen Webseite kommuniziert:
https://www.hochsensibilitaet-netzwerk.com/hochsensibilitaet-therapeuten/
Neben den erwähnten Option hier im Netzwerk Hochsensibilität, empfehle ich MeetUp. Das ist eine App und hier in Hamburg gibt es beispielsweise eine sehr große HSP-Gruppe, in der unterschiedlichste Treffen angeboten werden. Und kürzlich bin ich auf eine weitere App namens Jumiwi gestoßen, über die sich ebenfalls hochsensible Menschen vernetzen können.
https://jumiwi.com/
Ich wünsche dir, dass du gleichgesinnte Menschen findest und schöne Begegnungen erlebst.
Liebe Grüße
Myriam
Liebe Martina,
neben der bereits erwähnten Option der Veranstaltungen hier im Netzwerk Hochsensibilität, empfehle ich für Hamburg – und das gilt sicher auch anderswo – MeetUp. Das ist eine App und für Hamburg gibt es eine sehr große HSP-Gruppe, in der es verschiedene Treffen gibt. Und kürzlich bin ich auf eine weitere App namens Jumiwi gestoßen, über die sich ebenfalls hochsensible Menschen vernetzen können. Vielleicht hilft dir das etwas
Liebe Grüße
Myriam
Hallo 🙂
Mich würde sehr interessieren, wo und wie man Kontakt zu „Gleichgesinnten“, also zu anderen Hochsensiblen aufnehmen kann – sowohl online als auch offline (wie im Artikel beschrieben). Bisher bin ich da leider gar nicht fündig geworden.
Über eine Rückmeldung freue ich mich! 🙂