Hochsensibilität und 40-Stunden-Wochen – passt das zusammen?

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(uur-db024-b02) Kennst du das, dass du dich schon beim Gedanken an 40-Stunden-Wochen gestresst fühlst und dich manchmal fragst, wie das im Zusammenhang mit Hochsensibilität überhaupt gehen soll?

Uma Ulrike Reichelt, Profilbild
Ein Beitrag von Uma Ulrike Reichelt

Was tut man jetzt als hochsensible Person, wenn selbst Normalsensible mit einer 40-Stunden-Woche oft schon vor lauter Belastung stöhnen, es aber irgendwie noch zu schaffen scheinen? Seit meinem gesundheitlichen Zusammenbruch im Jahr 2003 habe ich mir solche Fragen sehr oft gestellt, weil seitdem meine Kräfte-Kapazitäten ein „normales“ Arbeitsvolumen einfach nicht mehr ermöglichen und ich viel Zeit für mich brauche.

Oft habe ich mich selbst unter Druck gesetzt, weil ich dachte, ich muss genau so viel arbeiten wie andere.

Ich habe mich mit Menschen verglichen, die nicht hochsensibel sind und ganz andere Stärken und Aufgaben in ihrem Leben haben als ich.

Dann entdeckte ich neue Aspekte von Arbeitszeit jenseits vom normalen Büroalltag, die in der allgemeinen Arbeitswelt allerdings nicht als Arbeit gelten. Besonders für Hochsensible sind sie aber ganz real und wichtig als solche anzuerkennen.

3 Aspekte der etwas anderen 40-Stunden-Woche für Hochsensible

1. Aspekt: Verarbeitungszeiten sind Arbeitszeiten

Hochsensible Menschen verarbeiten Reize viel intensiver und detaillierter als Normalsensible. Das benötigt nicht nur mehr Kraft, sondern gehört für mich eindeutig in die Kategorie Arbeitszeit.

 Erkenne, dass Verarbeitungszeit Arbeitszeit ist.

Wichtig:
Also, wenn du das nächste Mal einen „Verdauungsspaziergang“ machst oder einfach nur vor dich hinschaust, um Eindrücke zu verarbeiten, dann sei dir bewusst, dass dies ganz eindeutig Arbeitszeit ist. Je besser du dich damit entspannst und deine Auszeiten nimmst, umso mehr Kraft und Klarheit hast du dann wieder für deine beruflichen Dinge.

2. Aspekt: Innere Prozesse sind Arbeitszeiten

Innere Arbeit, um angestauten Stress und seelische Belastungen loszulassen und Frieden mit sich selbst und dem Leben zu schließen, gehören ganz klar in die Kategorie Arbeitszeit. Sie benötigen viel Kraft und Aufmerksamkeit und sind für das Wohlbefinden elementar wichtig.

Erkenne, dass innere Arbeit ganz normale Arbeitszeit ist.

Wichtig:
Jedes Mal, wenn du Stress und Belastungen spürst und sie dann auflöst – sei dir gewiss, dass dies Arbeitszeit ist und kein Hobby. Du arbeitest an deiner Gesundheit und deinem Wohlergehen. Das wird sich sehr positiv auf dich und dein Leben auswirken – und dich auch beruflich stärken.

3. Aspekt: Nachzudenken und zu reflektieren ist Arbeitszeit

Wenn du dir die Zeit nimmst, dich zu spüren, zu reflektieren und dich inspirieren zu lassen, dann ist das eine ganz wertvolle Art zu arbeiten und ist eindeutig Arbeitszeit.

Erkenne, dass Reflexion und Inspiration Arbeitszeit ist.

Wichtig:
Beim Nachdenken und Reflektieren bekommst du Klarheit und neue Impulse für dich und dein Leben. Deine innere Ausrichtung und dein Fokus bestimmen sehr stark deinen Lebenskurs und deine Lebensqualität. Das ist etwas, woran es sich lohnt immer wieder zu arbeiten. Diese Art der Arbeitszeit bringt dich persönlich wie beruflich weiter.

ZUSAMMENFASSUNG

Du leistest viel mehr, als dir bewusst ist, wenn du dich in dieser erweiterten Sicht auf Arbeitsleistung und Arbeitszeit betrachtest. Eine 40-Stunden-Woche kann also auch ganz anders aussehen. Wenn du dir Druck machst, dass du wie andere arbeiten solltest, dann erinnere dich immer wieder daran, dass Arbeitsvolumen und Arbeitszeit mehr als nur eine Definition haben.

Wichtig ist, dass du dich wohlwollend behandelst und auf deine Bedürfnisse eingehst.

Und das ist kein Hobby. Alles Gute bei deiner neuen und ganz persönlichen Art der 40-Stunden-Woche.

Uma Ulrike Reichelt, Expertin für Burnoutprophylaxe, www.uma-u-reichelt.com, Autorin von:


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7 Kommentare

  1. Mein Problem war nie die Anzahl der Stunden, sondern mein Engagement. In meiner Arbeitsfreude verausgabe ich mich ohne es zu merken. Als Single konnte ich dann reagieren, wenn mein Körper mir die Grenze aufzeigte. Seit 10 Jahren bin ich nun alleinerziehend, das hat mich dann in den Burnout gebracht. Ich ging nach der Trennung von meinem Mann arbeiten weil ich für uns sorgen wollte und ich kein Dasein als Hausfrau fristen wollte. Diese Doppelbelastung ist für mich immer noch kaum zu schaffen. Dann kam auch noch die körperlich veränderte Belastbarkeit durch die Wechseljahre dazu und das hat mich dann endgültig umgehauen. Seit eineinhalb Jahren habe ich eine Arbeit die mir als HS sehr entgegen kommt und mir Freude macht. Ich habe noch keine gute Lösung für die fehlende Erholungszeit.

  2. Ein sehr schöner Artikel, wie ich finde. Ich könnte, auch mit meiner HS, Vollzeit arbeiten. Aber ich möchte es gar nicht mehr, weil ich viel Zeit für andere Dinge brauche. Natur, Nichtstun, den Vögel lauschen, Gemüse Pflanzen, Kontakte pflegen, Musik und Kultur usw.usw

    Selbst bei meiner derzeitigen Tätigkeit, die ich sehr liebe, reichen mir 22 Wochenstunden vollkommen aus. Natürlich mit allen materiellen Konsequenzen. Das Verarbeiten des Erlebten muss ja zeitlich immer mit einkalkuliert werden, auch bei schönen und erfüllenden Dingen brauche ich viel Zeit um Eindrücke in Ruhe zu versrbeiten. Das ist es ja eben, was HS von der weit verbreiteten Hypervigilanz unterscheidet.

    Deswegen habe ich auch schon lange nicht mehr den Anspruch an mich selber 40 Stunden schaffen zu müssen. Warum? Nur weil mal jemand diese Norm festgelegt hat? Für mich trifft das nicht zu und ich traue mich heute anders zu leben als die Norm es vorgibt.

    Andrea Mayer

  3. Hallo Uma,

    nun habe ich nur die Überschrift gelesen und mir genau diese Frage gestellt – schon vor ein paar Jahren:
    werde ich jemals mit meiner HS wieder Vollzeit arbeiten können.

    Die Antwort lautet: Ja, ich kann. Sogar deutlich mehr als 40 Stunden. Die daraus folgende Frage ist stets auf das WIE fokussiert, nicht auf das Warum.
    Denn wenn ich mein Tun liebe, merke ich gar nicht, dass ich arbeite. Zeit wird in dem Zusammenhang nebensächlich. Sollte das Unterbewusstsein mir über den Körper dennoch signalisieren, dass ich mal ne Pause brauche, muss ich einfach nur darauf hören.
    Wird mein Körper müde, ist es genug. Pause.

    Zumindest funktioniert es bei mir so. Auf Hunger folgt Essen, auf Durst ein Durstlöscher. Auf Müdigkeit, Schlaf.

    Je feiner ich auf meinen Körper höre, ihn beAchte, desto freundlicher ist er mir gesonnen, ist mein Eindruck, ist meine Erfahrung.

    Manchmal arbeite ich 12 Stunden und mehr pro Tag. Aber dann gehört der Rest des Tages ausschließlich der Muße und des Schlafes. Kein Freizeitstreß, kein aufwändiges Essen, das es zu kochen gilt und keine Wohnung, die auf Hochglanz poliert sein muss.
    Einfach Sein. Schauen. Lauschen. Nichts tun.

    Eine Mutter oder ein Vater, die/der sich allein um Haushalt und Kinder kümmert, kennt solche Arbeitszeiten (365/24/7) – wer meint, oben drauf noch die Berufstätigkeit packen zu müssen, obschon man es wirtschaftlich gesehen nicht müsste – liegt mMn. falsch.

    Auch mit Hochsensibilität geht viel. Auch mehr als 40 Stunden – solange man rechtzeitig für Ausgleich sorgt.

    Bin ich am Thema vorbei? Es perlte so in die Tasten.

    Liebe Grüße,
    Heike

    1. Hallo Heike, ich find deine Idee interessant. Der Gedanke man kann mehr aber die Bedingugen müssen stimmen… ich mache momentan Teilzeit aber hätte eine Vollzeit Stelle in Aussicht. Bin ganz verunsichert- schaff ich das? Dem gegenüber steht aber auch ein ambitionierter Teil in mir der es mal ausprobieren will. Ich will nicht immer so mit Angezogener Handbremse unterwegs sein, auf der anderen Seite bringst auch nichts wenn ich es nicht packe. Bin wirklich im Zwiespalt. Wie hast du gelernt die Signale deines Körpers so klar zu deuten und dich dann auch entsprechend zu versorgen? LG Lisa

    2. Den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir müssen schauen, dass Wir Lebenszeit mit Geld tauschen!

      Ich für mich merke auch, dass wenn du im Flow bist sehr vieles Möglich ist. Es ist jedoch wichtig wie du schreibst, auf den Körper zu hören.

      Ich habe mich mit meiner Familie diese Woche entschieden einen Rollentausch anzustossen. Ich habe mich von meinen gut bezahlten, sicheren Job verabschiedet, weil ich meine Lebenszeit mit Geld tauschen will, mit einem Job welcher mir keine Freude bereitet und mir meine Energie raubt.

      Ich bewundere alle Menschen, die täglich zur Arbeit fahren und ihre Bestimmung leben. Für mich waren alle die Jobs nach kurzer Zeit langweilig. Ich kann nahezu überall und in jedem Arbeitsgebiet arbeiten. Jedoch nur so lange bis es langweilig und routinemässig wird. Wenn dieser Punkt überschritten wird, suche ich das Weite.

      Zukünftig werde ich mein eigener Chef damit ich mir selbst einteilen kann wie lange ich für was meine Lebenszeit einsetze.

  4. Da hast du voellig Recht.Frueher konnte ich ohne weiteres 40 Std arbeiten..nach meinem Zusammenbruch vor 22 Jahren, veraenderte sich mein Leben am Anfang Total..danach schaffte ich es wieder und nun faengt es wieder an dass sogar 70% zu viel sind. Bin auch in den Wechseljahre..und dies verschaerft die Hochsensibilitaet noch mehr..Bin dauetnd am Verarbeiten und am liebsten haette ich eine Auszeit..nur etwas sollte ich auch noch verdienen..manchmal dreht man sich im Kreis..Trotzdem habe ich mir nun zum Ziel gesetzt, keine weiteren Arbeiten anzunehmen und mehr fuer mich zu schauen wie auch vermehrt Pausen einzusetzen..und falls es mit der Energie nicht reicht eine 50% Stelle zu suchen..Das wichtigste ist fuersorglich mit sich selber sein und die Koerpersymptome verstehen zu lernen..nicht immer einfach..lg

  5. Hallo Uma,

    beim Lesen deines Beitrages kam mir ein Gedanke in puncto „normales Büroalltagsleben“ in den Kopf, den ich gerne kurz ausführen möchte – auch wenn ich den Eindruck habe, dass du dich gar nicht ausschliesslich auf den Büroalltag beziehst.

    Ich erlebe hochsensible Menschen oft als leistungsfähige und -willige Menschen, die auch in puncto Arbeitszeit den Vergleich mit ihren nicht-hochsensiblen Kollegen nicht zu scheuen brauchen – zumindest wenn es um die reine Arbeitsleistung geht.

    Oft sind es ja die Umfeldbedingungen, die für einen Overload an Reizen sorgen, der verarbeitet werden muss: Smalltalk, viele Interaktionen & Unterbrechungen, Geräusche, die Stimmungen anderer Menschen, der Arbeitsweg mit den ÖV, etc.

    Wenn das Gehirn Hochsensibler damit beschäftigt ist, all diese Reize zu verarbeiten, hat es natürlich weniger Kapazität für die „eigentliche“ Arbeitsleistung zur Verfügung. Das ist ein Grund (von vermutlich mehreren), warum sich Hochsensible eine „normale“ 40-Stunden-Woche in einem „normalen“ Büroalltag nicht zutrauen bzw. warum er für sie nicht zu bewältigen ist.

    Dafür liefern Hochsensible oft fundierte, durchdachte und solide Arbeitsergebnisse, auf die man sich verlassen kann. Eben weil sie so viele Informationen aufnehmen und gründlich verarbeiten. Manchmal denke ich, dass ein Arbeitgeber, der eine hochsensible Person einstellt und ihr die Rahmenbedingungen bietet, die sich braucht, sich die Finger lecken kann. Das zahlt sich aus.

    Ich danke dir für die Ausführung, dass die Sorge für das eigene Wohlergehen auch unter Arbeitszeit subsummiert werden kann.

    Herzlich,

    Barbara

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