Hochsensibel im Berufsleben: 12 Anforderungen an den Job

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(uhe-db193) Hochsensibel im Berufsleben zu sein ist herausfordernd. Dabei sind die Wahl und die Ausgestaltung der konkreten Arbeitsstelle für hochsensible Personen (HSP) mindestens so wichtig wie die Wahl des Berufs.

Ulrike Hensel, Netzwerkmitglied
Ein Beitrag von Ulrike Hensel

Ungünstige und unpassende Bedingungen und Anforderungen können dazu führen, dass HSP weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben, unglücklich im Job sind und womöglich gesundheitliche Einbußen erfahren.

Im Folgenden erläutere ich daher 12 relevante Anforderungen.

1. Ein adäquates Tätigkeitsfeld

HSP wünschen sich sehr, sich mit ihren Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen einzubringen und ihre Potenziale entfalten zu können. Diese liegen in der individuellen Persönlichkeit begründet sowie in der hochsensiblen Wesensart. Zudem sollte ihnen nichts abverlangt werden, was sie nicht oder nur unter großen Mühen erbringen können. Die Arbeitsinhalte sollten interessant und herausfordernd, nicht aber überfordernd sein.

HSP sind in der Regel vielseitig interessiert und finden leicht Zugang zu neuen Themenfeldern.

Ein breit gefächertes Tätigkeitsfeld entspricht ihnen eher als eine eingegrenzte Spezialisierung.

HSP legen hohe Maßstäbe an sich selbst an und sind um Perfektion bemüht. Sie haben von Natur aus einen aufmerksamen Blick für Feinheiten und eine Liebe zum Detail.

Impuls: Bei der Tätigkeit sollte es mehr auf Qualität als auf Quantität ankommen.

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2. Eine als sinnvoll empfundene Tätigkeit

Für HSP sollte Arbeit möglichst mehr sein als ein Tausch von Lebenszeit und Lebensenergie gegen Geld.

Voraussetzung für ein Sinnempfinden ist, dass man sich für die Inhalte und Ziele der Arbeit wirklich interessiert.

Arbeit erscheint dann sinnvoll, wenn sie für andere offensichtlich hilfreich und unterstützend ist, das Leben anderer bereichert, Probleme löst und einer wichtigen größeren Sache dient.

Impuls: Mit der Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen kann als ein beträchtlicher Teil der Sinnhaftigkeit gesehen werden.

3. Übereinstimmung mit den eigenen Werten

Für HSP ist die Kompatibilität der Arbeit mit dem eigenen Wertegefüge außerordentlich wichtig. Sie achten dabei auch auf den Zweck, die Ziele und die Philosophie des Unternehmens.

Beispiele für Werte sind Respekt, Mitgefühl, Fairness, Vertrauen, Loyalität, Verantwortung, Ehrlichkeit, Toleranz, Integrität, Seriosität, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Zuverlässigkeit, Professionalität.

Damit Arbeitsfreude aufkommt, sollte Kooperationsbereitschaft vor Konkurrenzdenken, Gemeinschaftssinn vor Ellbogenmentalität, Nachhaltigkeit vor kurzfristigem Geschäftserfolg, soziale Verantwortung vor Gewinnmaximierung stehen.

Impuls: Am besten gleich in der Probezeit prüfen, ob Werte nur in der Firmenphilosophie stehen oder auch wirklich gelebt werden.

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4. Nicht zu viel Außenreize

Sind HSP an ihrem Arbeitsplatz längere Zeit einer Fülle von Reizen ausgesetzt, erleben sie aufgrund ihrer größeren Reizoffenheit deutlich früher als Nicht-HSP eine unangenehme Überstimulation. Das verursacht Stress und geht zulasten der Konzentration und Schaffenskraft. Fakt ist:

Das Ausblenden von Störreizen ist HSP weit weniger möglich als Nicht-HSP.

Wird die nervliche Übererregung ein Dauerzustand, drohen Erschöpfungszustände und Krankheitsanfälligkeit.

Im Bürobereich stellt ein Großraumbüro hinsichtlich der vielfältigen zuströmenden Eindrücke eine maximale Herausforderung dar. Es hilft HSP, zumindest zeitweise einen ruhigen Raum aufsuchen zu können, in dem sie alleine sind oder mit Kollegen zusammen, die ebenfalls in Ruhe an etwas arbeiten (nicht telefonieren!).

Impuls: Teilweise im Homeoffice zu arbeiten, kann die negativen Effekten eines Großraumbüros abschwächen.

5. Eine angenehme Umgebung

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung des räumlichen Arbeitsumfelds. Es macht einen großen Unterschied, auf was HSP im Laufe des Arbeitstages schauen, welche Geräusche und Gerüche sie aufnehmen und welche Raumatmosphäre auf sie einwirkt.

HSP haben einen Sinn für Ordnung und Schönheit.

Unordnung, vollgepackte Räume, eine hässliche Einrichtung oder ein unschöner Ausblick aus dem Fenster würden ihr ästhetisches Empfinden sehr stören.

Impuls: Auch die Eindrücke auf dem Weg zur Arbeit und wieder nach Hause spielen eine Rolle.

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6. Ausreichend ruhige Arbeitsphasen

Für HSP darf es bei der Arbeit nicht zu viel Ablenkung geben und keine zu häufigen Unterbrechungen geben. Wohlbefinden und Leistungskurve fallen sonst deutlich ab. Während ruhigen Arbeitsphasen, in denen sie für sich sind und sich ungestört einer Arbeitsaufgabe widmen können, kann sich ihre Erregung legen.

Idealerweise wechseln sich reizerfüllte und angespannte mit reizarmen und eher entspannten Arbeitsphasen ab.

Das kann innerhalb eines Tages (am besten) oder auch innerhalb einer Woche sein. Eine gute Balance beugt einer Erschöpfung vor.

Impuls: Je selbstbestimmter der Wechsel zwischen Aktivität und Ruhe vorgenommen werden kann, desto besser.

7. Die richtige Dosis Menschen

HSP interessieren sich für Menschen und dank ihrer Empathiefähigkeit liegen ihnen Kontaktaufbau, Kontaktpflege und Kooperation. Aber: Zu viel Kontakt zu Menschen ist für sie strapaziös.

Introvertierte HSP fühlen sich wohler, wenn sie einen Großteil der Zeit allein arbeiten, nicht zu viel in Teamarbeit eingebunden sind und nicht mit mehreren Menschen gleichzeitig zu tun haben.

Im Unterschied dazu mögen extravertierte HSP mehr Kontakt und brauchen ihn auch für die Arbeitsmotivation und als Quelle der Inspiration.

Impuls: Bei HSP denkt man oft nur an drohende Überstimulation, aber auch zu wenig Stimulation kann kritisch werden.

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8. Ein gutes Betriebsklima

Da HSP äußerst empfänglich sind für Problemlagen, Spannungen und Missstimmungen, leiden sie mehr noch als andere darunter, wenn im Unternehmen ein schlechtes Betriebsklima herrscht.

Ein schroffer Umgangston, unkollegiales Verhalten, schwelende oder offene Konflikte widersprechen sehr dem ausgeprägten Harmoniebedürfnis von HSP.

Pessimismus, Unzufriedenheit und Gereiztheit von anderen im Arbeitsumfeld übertragen sich im Nu auf sie, drücken auf die Stimmung und mindern erheblich die eigene Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung.

Impuls: Im Bewerbungsprozess gut hinspüren, wie es im Unternehmen um die Arbeitsatmosphäre bestellt ist.

9. Akzeptanz und Wertschätzung

HSP wünschen sich sehnlichst, in dem, was sie ausmacht und was sie leisten, gesehen, respektiert und gewürdigt zu werden und sich als wertvolle Mitarbeitende zugehörig fühlen zu können.

Fehlende Anerkennung erleben sie noch stärker als andere als eine Missachtung ihrer Person und persönliche Kränkung.

Erfahren sie echte Akzeptanz und Wertschätzung, blühen sie auf.

Impuls: Sich selbst respektvoll und wertschätzend zu verhalten, lädt andere dazu ein, ebenfalls Respekt und Wertschätzung an den Tag zu legen.

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10. Genug Freiraum

Bei HSP zeigt sich mehr noch als bei anderen, dass Termin- und Leistungsdruck, stark hierarchische Strukturen, starre Regeln, eng gefasste Vorgaben und Kontrollen die Kreativität und Eigeninitiative behindern, außerdem die Arbeitsfreude trüben und die Einsatzbereitschaft mindern.

Am besten geht es HSP, wenn sie innerhalb eines gesetzten Rahmens relativ viel Freiraum bezüglich Selbstorganisation, Arbeitseinteilung und Vorgehensweise haben.

Also verhältnismäßig selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihre Arbeitsaufgaben ausführen können.

Impuls: HSP verfügen über ein reiches kreatives Potenzial, das sich allerdings nur unter geeigneten Bedingungen entfalten kann.

11. Flexible Arbeitszeiten, eventuell Teilzeit

Bei flexiblen Anwesenheitszeiten können HSP sich nach ihren Bedürfnissen richten, zum Beispiel die ruhigeren frühen oder späten Stunden für Aufgaben nutzen, die hohe Konzentration erfordern.

Wichtig ist außerdem, dass im Laufe des Arbeitstages ausreichend Pausen gewährleistet sind, in denen man etwas essen und trinken, sich etwas bewegen, vielleicht frische Luft schnappen kann.

Unbedingt in Erwägung zu ziehen ist eine Beschäftigung in Teilzeit, da es spürbare Entlastung schafft, weniger Stunden zu arbeiten. Am liebsten würde ich Teilzeit allen HSP empfehlen, weil dabei das Verhältnis zwischen Arbeit und Erholung hochsensiblen Bedürfnissen weitaus besser entspricht – vor allem auf lange Sicht.

Impuls: Überstunden sollten die absolute Ausnahme sein, sonst bleibt einfach nicht genug Zeit zur Regeneration.

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12. Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten

Die wissensdurstigen HSP sind in aller Regel offen für persönliche und berufliche Weiterentwicklung und wünschen sich interessante Fortbildungsangebote und – gerade in jüngeren Jahren – attraktive Entwicklungsperspektiven. HSP lernen gerne etwas dazu, es sei denn, sie sind durch ihre reguläre Arbeit schon völlig ausgelastet oder gar überlastet.

Tendenziell streben HSP weniger danach, im klassischen Sinne Karriere zu machen, das heißt in höhere Positionen mit Personalverantwortung aufzusteigen.

Eher darf es für sie in Richtung von erweiterten Befugnissen, interessanten Spezialaufgaben, einer Beratungsfunktion und höherem Expertenstatus gehen.

Für HSP ist es oftmals reizvoller, Fachkraft als Führungskraft zu sein. Kommen sie dennoch in Führungspositionen, können sie hochreflektiert und vorausschauend agieren und auf empathische Weise vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Mitarbeitenden aufbauen.

Impuls: Als Führungskräfte werden HSP werteorientiert agieren und eher einen weichen, kooperativen Führungsstil praktizieren.

Schlussanmerkung: Die Aufzählung bitte nicht als Forderungskatalog verstehen, dessen sämtliche Punkte erfüllt sein müssen. Vielmehr kann sie der Bewusstwerdung und der Selbstreflexion dienen, um herauszufinden, was die priorisierten persönlichen Kriterien für die Stellenwahl sind.

Ulrike Hensel, Coach für hochsensible Erwachsene, www.coaching-fuer-hochsensible.de, Netzwerkmitglied für 71134 Aidlingen (D), Autorin u.a. von:


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Ein Kommentar

  1. Als hätten sie die Fühler ausgestreckt zu mir!!!.-))))) im meinem momentanem Job, erlebe ich exakt, diese 12 Punkte.
    Ich habe dazumal die Entscheidung getroffen, von Teilzeit auf Vollzeit zu arbeiten. Jetzt nach 4 Monaten und etlichen auf und abs, bin ich wieder am Wendepunkt, mich zu fragen, Andrea ( männlich) , fühlt es wohl, 100% dort oder generell weiter zu arbeiten oder lieber wieder Teilzeit zu arbeiten und Zeit für mich zu investieren.
    Ich bin jetzt 58. im Kopf noch ziemlich jung geblieben. Es ist noch nicht zu Ende mit mir ( mit dem arbeiten)..
    habe sowas von Lust mich, in meiner hochsensitiven Art näher kennen zu lernen.
    Mir ist bewusst, dass es manchmal schwierig sein wird.. doch das wird gut für mich sein, denn ICH und auch meine ARTGENOSSEN werden auf dieser Welt gebraucht..
    WIR SIND TEIL DES GANZEN

    ich wünsche allen HOCHSENSITIVEN wunderbares erreichen ihrer BEDÜRFNISSE und vor allem, mehr für dich selbst zu tun.. weil wir die Tendenz haben.. zu People-pleaser zu sein..
    alles Liebe

    Andrea ( männlich) aus Zürich, Schweiz

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