Warum Hochsensiblen oft Hypochondrie unterstellt wird

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(arö) Neigen Hochsensible zu Hypochondrie oder wird hochsensiblen Menschen dies nur unterstellt, weil sie lediglich ihren Körper besser wahrnehmen?

Anke Römer, Profilbild, Mitglied
Ein Beitrag von Anke Römer

Doch beginnen wir zunächst von vorne, vielleicht kennst du das ja auch:

Es geht aktuell eine Magen-Darm-Grippe um und du triffst jemanden, der gerade erkrankt war. Plötzlich ist dir flau im Magen und du denkst darüber nach, ob du mal zur Toilette müsstest. In den folgenden Stunden spürst du weiterhin eine leichte Übelkeit und einen Druck im Magen. Irgendwann nehmen die Symptome ab und es ist weiter nichts passiert. Du bist erst mal beruhigt.

Das ist vergleichsweise harmlos.

Aber vielleicht hast du gerade von der Krebserkrankung einer Bekannten erfahren. Du bist verständlicherweise sehr betroffen und dann nimmst du Symptome bei dir wahr, die sich ähnlich anfühlen. Nach einem Arztbesuch, bei dem keine Erkrankung festgestellt wurde, bist du beruhigt.

Vermutlich finden sich in diesen Beschreibungen einige Hochsensible wieder. Ist das schon Hypochondrie?

Was ist Hypochondrie?

Als Hypochondrie wird die Angst eines Menschen vor Erkrankungen bezeichnet. Mehrere Arztbesuche bringen meist keine körperlichen Krankheiten ans Licht, was den Leidensdruck bei den Betroffenen aber noch ansteigen lässt. Sie fühlen die Symptome sehr stark. Diese sind nicht eingebildet, auch wenn objektiv keine Krankheit vorzuliegen scheint.

Es handelt sich hierbei aber um eine Angststörung, die einer therapeutischen Behandlung bedarf. Diese psychische Erkrankung kann den Alltag bestimmen und Begleiterscheinungen, wie Panikattacken, mit sich bringen.

Das heißt, die ganz oben beschriebenen Beispiele zeigen also keine Hypochondrie im pathologischen Sinne. Auch wenn körperliche Symptome hochsensibler Menschen, oft von Freunden, Familie und Ärzten gern als solche bezeichnet werden.

Aber was ist das nun genau?

Es ist das Gefühl und die Angst, dass etwas nicht stimmt, besonders wenn du gerade mit Erkrankungen anderer Menschen konfrontiert wirst.

Hochsensible Menschen nehmen mehr und intensiver wahr, dazu gehören auch innere körperliche Reize. Manchmal ist zudem die Schmerzempfindlichkeit erhöht.

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Übernehmen Hochsensible die Symptome von anderen?

Aus meiner Sicht ist unser hohes Empathievermögen, das Wahrnehmen von Stimmungen und das Gefühl dafür, wie es anderen Menschen geht, ein Erklärungsansatz, warum wir die Symptome anderer Menschen fühlen, übernehmen und sich auch Angst entwickeln kann.

Ein weiterer Aspekt ist sicher auch das „in sich hineinspüren“. Also ohne Reiz von außen, innere Befindlichkeiten zu bemerken (die normalsensible Menschen vielleicht noch gar nicht spüren) und intensiver darüber nachzudenken.

Ist das wirklich nur ein Rückenschmerz, der vom Kistenschleppen kommt, oder steckt da vielleicht eine Erkrankung dahinter?

Beide Erklärungen haben natürlich im Grunde und in der Konsequenz mit Ängsten zu tun. Das Entscheidende ist aber dabei, ob man diese Ängste weiter füttert oder ob man versucht, ruhig und realistisch zu bleiben und zu handeln.

Nicht zuletzt führen natürlich auch Stress und Überforderung dazu, dass wir körperliche Symptome haben.

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Warum vieles nichts mit Hypochondrie zu tun hat

Denke ich an meine Kindheit, kommen mir die häufigen Bauchschmerzen in Erinnerung. Vor manchen für mich unangenehmen Situationen, denen ich mich nicht entziehen konnte oder danach, wenn die Überforderung so groß war und ich keine Rückzugsmöglichkeit hatte, waren sie da.

Und natürlich kennen das viele hochsensible Menschen nicht nur aus ihrer Kindheit, sondern auch ganz aktuell im Erwachsenenalter:

Beschwerden wie Reizdarmsyndrom, Magenschmerzen, Kopfschmerzen bis zur Migräne etc. kommen tatsächlich häufig bei hochsensiblen Menschen vor.

Um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Das sind keine eingebildeten Beschwerden, sie sind real. Aber es liegen nicht immer nur körperliche Ursachen zu Grunde, sondern oft eine überreizte hochsensible Seele.

Was uns nicht zu Hypochondern macht!

Eine Vermeidungsstrategie ist dabei nicht ausschließlich schlecht. Oft verschwinden Symptome, wenn wir die Herausforderung die vor uns liegt oder in der wir uns befinden, aber eigentlich nicht wollen, beenden. Das geht nicht immer, das ist mir klar, aber es gibt meistens mehrere Wege die zum Ziel führen. Auch über das Ziel lässt sich nachdenken.

Manchmal sind die Symptome nach einem Ereignis plötzlich weg, was wiederum zeigt, dass das Ereignis uns im wahrsten Sinne „Bauchschmerzen“ oder „Kopfzerbrechen“ bereitet hatte.

Entweder konnten wir es lösen und gehen gestärkt daraus hervor, was dann positiven Einfluss auf das nächste zu lösende Problem und unsere innere Befindlichkeit haben kann. Oder wir merken, dass es einfach zu viel und unser körperliches Symptom ein Warnsignal war.

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Was können Hochsensible bei unklaren Beschwerden tun?

Ganz wichtig ist mir – bei Symptomen die längere Zeit andauern und nicht durch Ruhe oder Hausmittel wieder verschwinden, ist der Gang zu Ärzten unumgänglich. Manchmal werden körperliche Beschwerden verdrängt, bis es nicht mehr geht.

Ein Mittelweg zwischen lähmender Angst und absoluter Verdrängung ist ratsam.

Natürlich kommt beim Arztbesuch die Angst dazu, nicht ernst genommen zu werden, besonders wenn man diese Erfahrung schon gemacht hat. Manchmal vertraut man dann seinen eigenen Wahrnehmungen nicht mehr.

  • Mittlerweile gibt es einige Ärzte, die sich mit Hochsensibilität auskennen und manchmal auch Sprechstunden nur für hochsensible Menschen anbieten. Diese können auf jeden Fall bei der Einordnung der Beschwerden helfen und weitere Tipps geben.
  • Für Hausärztin oder Hausarzt ist es wichtig, von deiner Hochsensibilität und deiner verstärkten Wahrnehmung zu wissen und wenn du das Gefühl hast, du wirst nicht ernst genommen oder belächelt, dann sprich offen darüber. Du kennst dich am besten.
  • Versuche auf deinen Körper zu hören, indem du lernst die Art und Intensität deiner Symptome einzuordnen, vielleicht zu kategorisieren. Dazu erinnere dich an die unterschiedlichen Beschwerden in der Vergangenheit und überlege dir, wann deine Sorge sinnvoll und angebracht war und wie du für dich selbst gut reagiert hast.
  • Akzeptiere die Intensität deiner Wahrnehmung und nutze deine Intuition.
    Es ist manchmal nervig, so viel zu spüren und man möchte nicht ständig ein „Wehwehchen“ haben. Jedoch haben wir in so vielen Momenten, besonders wenn es andere Menschen betrifft, eine gute Wahrnehmung und wir können oft auf unsere Intuition vertrauen.
    Lernen und nutzen wir das doch auch für uns selbst.

Wir hochsensiblen Menschen haben „evolutionstechnisch“ vermutlich dazu beigetragen, dass die menschliche Spezies noch nicht ausgestorben ist, weil wir intensiver beobachten, fühlen und meist überlegter handeln.

Unser Inneres fühlen und beobachten wir also auch meist intensiver, was uns doch eigentlich ebenso zu Gute kommt. Auch wenn es für uns manchmal anstrengend ist und andere Menschen uns belächeln – was soll’s – ich möchte trotzdem nicht tauschen.

Wie ist das bei dir?

Anke Römer, Fachberaterin für Hochsensibilität, www.anke-roemer-kommunikation.de, Netzwerkmitglied für 04420 Markranstädt (D)


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