Homöopathie: Vernix caseosa bei Hochsensibilität?

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(msc-db190) Vernix caseosa ist ein relativ neues homöopathisches Mittel, das aus der Käseschmiere hergestellt wird, die die Haut von Neugeborenen bedeckt. So wie die Käseschmiere das Neugeborene beschützt, soll die Einnahme von Vernix caseosa auch den Menschen beschützen, der sich den vielen Reizen aus der Umwelt geradezu ausgeliefert fühlt. Vernix caseosa scheint damit DAS homöopathische Mittel bei Hochsensibilität zu sein – für hochsensible Menschen, die das Gefühl haben, dass ihre Haut zu dünn ist. Was ist dran an dieser Empfehlung?

Können Hochsensible sich durch die Einnahme von Vernix caseosa vor Reizüberflutung schützen?

Was ist Vernix caseosa in der Natur?

Margrit Schreier, Netzwerkmitglied
Ein Beitrag von Margrit Schreier

Vernix caseosa ist eine wachsartige Substanz, die ungefähr zwischen der 17. und 20. Schwangerschaftswoche gebildet wird und den Körper des Fötus bzw. des Neugeborenen bedeckt. Sie besteht in erster Linie aus Wasser und Fettsäuren.

Im Mutterleib bildet die Käseschmiere eine Barriere zum Fruchtwasser und schützt so den Fötus. Während des Geburtsvorgangs stellt sie einen Schutz vor der Reibung während des Geburtsvorgangs dar. Und nach der Geburt bewahrt sie den Körper des Neugeborenen vor Wärmeverlust und in der Folge auch vor Infektionen.

Was bewirkt Vernix caseosa als homöopathisches Mittel?

In der Homöopathie leitet man die Wirkung eines Mittels von seinen Eigenschaften in der Natur ab und davon, welche Wirkung die Einnahme des Mittels bei einem gesunden Menschen hat. Man spricht hier auch vom homöopathischen Mittelbild.

Kernthema von Vernix caseosa als homöopathisches Mittel ist Schutz.

Menschen, die Vernix caseosa benötigen, haben das Gefühl, dass sie der Umwelt, den Umweltreizen und den Gefühlen ihrer Mitmenschen schutzlos ausgeliefert sind. Auch empfinden sie die Umwelt und die Menschen um sich herum oft als feindselig. Die vielen Reize, die auf sie einströmen, fühlen sie fast wie einen Angriff.

Vernix caseosa kann sich in solchen Fällen wie ein Schutzmantel, wie eine zweite Haut um den Menschen legen. Es stellt keine dickere Haut dar (nach dem Prinzip: Du solltest dir eine dickere Haut zulegen). Nach der Einnahme von Vernix caseosa kann man die Umwelt weiterhin in allen Details wahrnehmen, empfindet diese Wahrnehmungen aber nicht mehr als feindselig.

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Eng mit dem Kernthema Schutz verbunden ist das Thema der Abgrenzung. Menschen, die Vernix caseosa benötigen, sprechen oft davon, dass sie sich nicht hinreichend gegenüber der Umwelt und gegenüber anderen Menschen abgrenzen können. Sie fühlen sich wie durchlässig und können manchmal nicht mehr zwischen ihren eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer Menschen unterscheiden.

Vernix caseosa kann aus homöopathischer Sicht dabei unterstützen, sich besser gegenüber anderen abzugrenzen.

Wenn man sich gegenüber der Umwelt nicht mehr abgrenzen kann, verliert man auch schnell das Gefühl dafür, wer man ist, was die eigene Persönlichkeit und Individualität ausmachen. Entsprechend kann Vernix caseosa dazu beitragen, ein klareres Gefühl für die eigene Persönlichkeit zu entwickeln.

In der Homöopathie wird Vernix caseosa klassischerweise bei Symptomen von Umwelterkrankungen eingesetzt, wie Allergien, Unverträglichkeiten, Sensibilität gegenüber Chemikalien, Gerüchen oder Geräuschen. Ebenso wird es verwendet bei Hautproblemen (z.B. Ekzem, Akne), bei chronischen Erschöpfungszuständen – und in den letzten Jahren zunehmend auch bei Reizüberflutung im Zusammenhang mit Hochsensibilität.

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Was bedeutet es, wenn jemand dieses homöopathische Mittel einnimmt?

Muss ich etwa Käseschmiere schlucken? Das Mittel wird zwar tatsächlich aus der Käseschmiere eines Neugeborenen hergestellt. Im Laufe des Herstellungsprozesses wird diese sog. Ursubstanz aber immer weiter verdünnt (und außerdem durch kräftiges Schütteln in seiner Wirkung verstärkt bzw., in homöopathischen Begriffen, potenziert).

Zur Herstellung einer sog. D-Potenz wird z.B. die Ausgangssubstanz mit neun Tropfen einer Flüssigkeit (Wasser oder Alkohol) vermischt und 10x verschüttelt (D1). Um die nächste Potenz herzustellen, nimmt man daraus einen Tropfen, vermischt diesen wieder mit neun Tropfen und schüttelt erneut 10x (D2) – usw. Bei der Herstellung von sog. C-Potenzen nimmt man statt neun Tropfen 99 Tropfen bei der Herstellung, schüttelt 100x, entnimmt daraus einen Tropfen – usw.

Wenn man also beispielweise Vernix caseosa in der Potenz C30 einnimmt, dann wurde dieser Vorgang insgesamt 30x wiederholt. Diese Verdünnung ist so stark, dass in dem Mittel gar keine materielle Käseschmiere mehr enthalten ist. Was wirkt, ist nach homöopathischer Sicht nicht die Käseschmiere als solche, sondern die Energie dieser Substanz.

Ist Vernix caseosa die Lösung für Hochsensible?

In der Homöopathie geht man davon aus, dass ein Mittel nur dann wirkt, wenn die Symptome des Mittels (das Mittelbild) und die Symptome, die behandelt werden sollen, hinreichend ähnlich sind. Je ähnlicher die Symptome, desto eher stellt sich auch eine Wirkung ein.

Auf den ersten Blick könnt man meinen, dass die Schutzlosigkeit, Durchlässigkeit und die fehlende Abgrenzung bei Vernix genau die Situation eines hochsensiblen Menschen beschreibten. Bis zu einem bestimmten Punkt trifft das auch zu, und daher ist Vernix caseosa auf jeden Fall einen Versuch wert, wenn man sich von Umweltreizen überwältigt fühlt.

Allerdings gibt es noch viele andere Mittel in der Homöopathie, die ähnliche Symptome abdecken – beispielsweise Lac maternum, Phosphorus, Nux vomica, Carcinosinum oder Aethusa. Wichtig bei Vernix caseosa ist das Gefühl, dass die Welt einem feindlich gegenübersteht. Für Nux vomica ist dagegen typisch, dass man sich immer mehr unter innerem Druck fühlt – bis man schließlich explodiert. Und bei Carcinosinum steht u.a. der eigene Perfektionismus im Vordergrund.

Es kommt also in der Homöopathie immer darauf an, was genau einen inneren Zustand auslöst und wie man darauf reagiert.

Außerdem gibt es unterschiedliche Facetten von Hochsensibilität, und Hochsensibilität zeigt sich bei verschiedenen Menschen auch auf unterschiedliche Weise. Bei dem einen steht vielleicht das nächtliche Grübeln im Vordergrund, bei dem nächsten das allzu starke Mitfühlen mit anderen Menschen, und bei einem dritten wiederum die Sensibilität für Geräusche, Gerüche und Licht. Je nachdem, wie Hochsensibilität sich zeigt, ist auch jeweils ein anderes homöopathisches Mittel angebracht.

Schließlich noch ein Wort zur Vorsicht:

Vernix caseosa ist ein tief gehendes Mittel, das auch in einer (durchaus gängigen) Potenz von C30 schon weitreichende Auswirkungen haben kann.

Außerdem kann es nach der Einnahme von homöopathischen Mitteln zu einer vorübergehenden Verstärkung der Symptome kommen, zur sog. Erstverschlimmerung. Diese ist zwar eigentlich ein gutes Zeichen und geht auch von selbst wieder vorbei, kann aber dennoch unangenehm sein, besonders wenn man sich sowieso schon reizüberflutet fühlt.

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Fazit

Vernix caseosa ist für hochsensible Menschen durchaus einen Versuch wert. Aber es wirkt nicht bei jedem oder jeder: Ich habe in meiner Praxis schon sehr positive Wirkungen gesehen – und auch Fälle, in denen es gar nichts bewirkt hat und ein anderes Mittel hilfreicher war.

Außerdem eignet sich Homöopathie nur bedingt zur Selbstbehandlung. Es können unerwartete Wirkungen auftreten.

Und um grundsätzlich zu einem anderen Umgang mit sich selbst und der eigenen Hochsensibilität zu finden, muss man über die Behandlung der Reizüberflutung hinausgehen und die gesamte Persönlichkeit in die Verordnung mit einbeziehen. Hier kann Vernix angezeigt sein – oder auch ein anderes Mittel.

Diese tiefer gehende Mittelfindung und Verordnung kann man nicht selbst leisten, sondern wendet sich dafür am besten an ausgebildete klassische Homöopathen.

Dr. phil.; Dipl. psych. Margrit Schreier, Heilpraktikerin, www.heilpraxis-schreier.de, Netzwerkmitglied für 28717 Bremen (D)


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